Frauenstreiktag: Den Worten im HR Taten folgen lassen

Für einmal keine Spur von Zurückhaltung und Bescheidenheit: Der Schweizer Frauenstreiktag vom 14. Juni 2019 war ein wuchtiges Statement für die Anliegen der Frauen. Jetzt sind nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern auch das HR gefordert.

 

Damit hatte wohl fast niemand gerechnet. Hunderttausende Frauen gingen am 14. Juni 2019 auf die Strasse, um für ihre Anliegen zu demonstrieren. Eine richtige und wichtige Sache, auch wenn mir einige Randtöne ein wenig zu schrill und politisch für meinen Geschmack etwas gar links waren.

Wie auch immer. Probleme sind unstrittig da und wollen gelöst werden. Der bunte, fröhliche und fast überall friedliche Protesttag ist Geschichte. Was kommt nun? Eine spannende Frage, gerade für das HR, das in dieser Frage besonders gefragt ist und es in der Hand hat, den Worten Taten folgen zu lassen.

Ich habe mir mal überlegt, mit welchen konkreten Massnahmen ein Ruck durch die Unternehmen gehen könnte. Dabei habe ich gemerkt: Viele der Ideen mögen fast schon lächerlich klein erscheinen – aber immerhin sind sie konkret, einige davon einfach und schnell umsetzbar und so manche sogar kostenlos.

Hier mein sommerlicher Wunschzettel.

Frauen in der Personalwerbung konkret ansprechen.

Wer mehr Frauen ansprechen will, sollte dies ganz einfach tun. Vergessen Sie die lächerlichen Sternli* und texten Sie stattdessen einfach weiblich. Sprich: Schreiben Sie in Inseraten und Co. einfach mal die Frauen an und meinen Sie Männer mit. Geht ganz easy und ja: Es ist konform mit dem Gleichstellungsgesetz, vor allem in der Schweiz! Mehr Tipps gefällig? Gerne, bitte bedienen Sie sich hier.

Oder machen Sie einmal eine Kampagne, die ausschliesslich an Frauen adressiert, vor allem in den Männerdomänen. Funktioniert hervorragend!

Taten statt Worte: Frauen direkt ansprechen, bei den Stelleninseraten beginnen oder vielleicht sogar eine Kampagne speziell für Frauen machen.

Anforderungsprofile auf fünf bis sieben beschränken.

Frauen sind viel strenger in der Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten als Männer, die viel eher zur „ich kann das eh-Haltung“ tendieren. Die Folge: Je mehr Anforderungen publiziert werden, desto eher zweifeln Frauen, ob sie sich dafür eignen. Eye-Tracking Studien belegen, dass Frauen die Anforderungen in Anzeigen doppelt so lange studieren als Männer. Die Folge: Weniger Bewerbungen von Frauen.

Taten statt Worte: Maximal sieben Anforderungen, eher nur fünf publizieren.

Die richtigen Bilder auslösen.

Manche Vorurteile beginnen ganz unbewusst im Kopf. Achten Sie auf Ihre Bildwelt in der Personalwerbung. Verpassen Sie Ihrem Arbeitgeberauftritt bewusst einen weiblichen Touch. Zeigen Sie spannende Frauen, die Ihr Unternehmen bereichern. Ein wenig grosszügig sein bei der Anzahl bzw. dem Verhältnis ist dabei erlaubt, aber übertreiben Sie es nicht. Es sollte dann schon noch in etwa mit der Realität übereinstimmen.

Taten statt Worte: Bildwelt auffrischen.

Frauenpower in der Vorselektion.

Die erste Hürde bei der Personalauswahl ist bei den allermeisten Firmen noch immer nicht ein Algorithmus, sondern eine Person aus Fleisch und Blut. Achten Sie darauf, wer das tut. Setzen Sie auch hier auf Ausgewogenheit und vermehrt auf die Power gestandener Frauen (nicht nur der ganz Jungen, wie dies häufig der Fall ist).

Taten statt Worte: Die Vorselektion überdenken.

Arbeitszeitmodelle.

Angeblich wollen nur gerade 8 Prozent der Schweizer Arbeitnehmer Vollzeit arbeiten, schreibt der Tages-Anzeiger. Was sie trotzdem dazu zwingt: Das Geld und mangelnde Angebote. Noch immer werden viele Stellen nicht als Teilzeitoption ausgeschrieben – anspruchsvolle Jobs für 50-70 Prozent Pensen oder gar für Jobsharing werden noch immer kaum ausgeschrieben. Übrigens auch nicht von jenen, die das nun von der Wirtschaft verlangen. So waren am 15. Juni 2019 bei der grössten Schweizer Gewerkschaft Unia gerade einmal 5 von 22 Stellen (ohne Praktika) für Teilzeit unter 80% geeignet. Und von Job-Sharing oder so keine Spur. Und noch etwas: Es gibt viele höchst erfolgreiche Firmen in der Schweiz – einige davon gewähren zwei Wochen Vaterschaftsurlaub, immerhin. Andere geben ihr Geld lieber anders aus. Könnten sich das wirklich nicht mehr Firmen leisten?

Taten statt Worte: Attraktive Rahmenbedingungen für alle schaffen, Job-Sharing ausprobieren, Teilzeit (wenigstens 80%) grundsätzlich für alle Stellen anbieten.

Ewiggestrige sensibilisieren und wenn nötig Druck aufsetzen.

Oft sind es die Führungskräfte, die noch zu kruden Vorstellungen neigen. Teilzeit?
Eine tolle Sache – überall sonst, aber nicht in meiner Abteilung.
Frauen zwischen 28-35? Lieber nicht, könnten schwanger werden.
Es ist unglaublich, wie oft einem diese Haltung offen oder hinter vorgehaltener Hand noch begegnet. Aufklärung tut not – und wenn du nicht willig bist, dann halt mit Gewalt in Form von internen Zielvorgaben.

Taten statt Worte: Sensibilisierungsoffensive starten, Thema in den Jahresgesprächen aufgreifen.

Lohntransparenz schaffen.

Ein Hauptanliegen der Frauen ist – völlig zurecht – die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Dieser Missstand hat verschiedene Ursachen, eine zentrale ist Intransparenz. Und die beginnt damit, dass Arbeitgeber die Bewerberinnen und Bewerber noch immer zu einem Lohnpoker zwingen, obwohl sie genau wissen, welche Bandbreite an Lohn sie zahlen bereit sind. Durch das bewusste Zurückhalten dieser relevanten Informationen werden Männer, die eher zur Selbstüberschätzung als Frauen neigen, bevorzugt. Machen Sie also endlich Ihre Lohngrössenordnung in den Stellenanzeigen transparent – und vielleicht ja sogar dereinst die internen Löhne, so wie dies erste Firmen in der Schweiz tun.

Taten statt Worte: Lohn in die Stellenanzeigen publizieren und pro-aktiv ein faires Lohnangebot im Gespräch anbieten. Zum Nachschauen:

Belästigung unterbinden.

Sexismus stoppen. Diese Forderung habe ich am Sonntag im Radio von der Gewerkschaft vpod gehört. Finde ich auch und meine damit zum Beispiel sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Es darf nicht sein, dass man aufgrund von direkten oder subtilen Belästigungen nicht mehr angstfrei zur Arbeit gehen kann. So etwas gehört abgestellt. Ich habe in meiner früheren Funktion in solchen Fällen immer hart durchgegriffen – um mich danach über teilweise mangelnde Rückendeckung der politisch Verantwortlichen und über Gewerkschaftsfunktionäre zu ärgern, die sich dann vehement für ihre männlichen Beitragszahler eingesetzt haben. Diese Heuchelei gehört ebenso abgestellt.

Taten statt Worte: Unabhängige Anlaufstelle schaffen, allenfalls auch extern, und hart durchgreifen.

Und dabei trotzdem: Den Ball flach halten.

Im Moment könnte man fast meinen, dass alle Frauen im Arbeitsleben generell und immer benachteiligt werden. Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist. Gerade bei den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen – zumindest entspricht es nicht dem Bild, das ich aus eigener Erfahrung (zugegeben als Mann) hatte und aus Projekten noch immer habe. Ich denke, wir sollten die Anliegen konsequent verfolgen, aber nicht übertreiben. Gewisse Diskussionen gerade um die gendergerechte Sprache empfinde ich als überzogen, peinlich und vermutlich ziemlich kontraproduktiv. In diesem Zusammenhang gefällt mir die einfache, aber simple Idee des Universitätsspitals Basel, mit Postkarten den Frauen danke zu sagen. Herrlich unaufgeregt.

Taten statt Worte: Nicht auf andere warten, selber handeln. Und: Cool bleiben und Gleichstellung nicht mit Gleichmacherei verwechseln – es gibt noch immer unterschiedliche Geschlechter und das ist doch wunderbar so.

Und welche Idee haben Sie parat?

In der Schweiz wimmelt es nur so von guten Arbeitgebern. Von Firmen, die still und leise richtig gute Arbeitsbedingungen haben und für Frauen und Männer ein Top-Arbeitgeber sind. Womit machen Sie gute Erfahrungen? Schreiben Sie mir, ich freu mich auf Ihre Ideen.

Auf Wiederlesen